Das Wichtigste in Kürze
- Mit zusatzversicherten Patienten verdienen Ärzte besonders viel Geld.
- «Kassensturz» macht vertrauliche Honorarlisten publik. Sie zeigen Brisantes: Ärzte rechnen in den Zürcher Hirslanden Kliniken ein Vielfaches mehr ab als im öffentlichen Spital.
- Mancher Mediziner setzt so Millionen um – Jahr für Jahr.
- Gesundheitsökonom spricht von «unethischen» Honoraren. Helsana will die überhöhten Honorare nicht mehr akzeptieren.
Whistleblower spielen «Kassensturz» vertrauliche Dokumente zu: Honorarlisten der Zürcher Hirslanden-Klinik und der privaten Hirslanden-Klinik im Park. Sie zeigen, wie viel ein Arzt bei Eingriffen an Zusatzversicherten verdient. Jeder ärztliche Eingriff ist aufgelistet, daneben steht der Preis, den ein Arzt für seine Arbeit abrechnen darf.
«Kassensturz» macht den Abgleich mit der Honorarliste eines Aargauer Kantonspitals. Mit Hilfe von Fachleuten vergleicht das Konsumentenmagazin die Arzthonorare für gleiche Eingriffe. Die Preisunterschiede sind massiv: Operiert ein Arzt in der Zürcher Klinik Hirslanden, kann er für seine Arbeit ein Vielfaches mehr verrechnen als im Aargauer Kantonsspital.
Etwa für die Injektion mit Knochenzement bei einer Wirbelfraktur: Der Arzt im Aargauer Kantonsspital kann für seine Arbeit 2015 Franken verrechnen, an den beiden Zürcher Hirslanden-Kliniken kostet es das Dreifache: 6300 Franken. Der Eingriff dauert eine knappe halbe Stunde. Hirslanden schreibt: «Der Vergleich der Honorare zwischen einem öffentlichen Spital und einem mit Belegarzt-System ist insgesamt nur bedingt möglich.»
Unethische und nicht akzeptierbare Ärztehonorare
Gesundheitsökonom Heinz Locher berät als Experte auch den Bundesrat. Er hält die Hirslanden-Honorare für klar übertrieben: «Sie entsprechen nicht dem Wert der Leistung.» Für Locher sind sie «unethisch und nicht akzeptierbar.» Denn auch bei zusatzversicherten Patienten bezahlt die Grundversicherung mit. Deshalb seien alle Prämienzahler betroffen, zumal solch hohe Honorare Ärzte motivieren würden, unnötige Eingriffe vorzunehmen.
Die Krankenkassen haben bislang mit Zusatzversicherungs-Produkten gut verdient und überhöhte Arzthonorare akzeptiert. Das ändert sich jetzt. Helsana, grösste Kasse der Schweiz, verlangt mehr Transparenz von Hirslanden. «Für uns sind solche Honorare für die freie Arztwahl ganz klar zu hoch», sagt Daniela Zimmermann, die für Helsana die Tarife mit den Spitälern aushandelt: «Wir wollen die Preise runterbringen, und wir sind gewillt, die Eskalation einzugehen.» Eskalation heisst etwa: Helsana bezahlt seit Anfang Jahr keine Eingriffe mehr, die an der Hirslanden-Klinik im Park durchgeführt werden sollen. Zu teuer.
Ärzte verdienen Millionen an Zusatzversicherten
Ein weiteres zugespieltes Dokument zeigt: Es gibt unter den Zürcher Hirslanden-Ärzten Spitzenverdiener, die Millionen umsetzen: Allein mit zusatzversicherten Patienten erzielte ein Chirurg 2017 einen Umsatz von über 1,7 Millionen Franken, ein anderer 3,7 Millionen und einer Dritter über 5 Millionen Franken im Jahr 2016.
Hinzu kommen die Einkünfte durch die Behandlungen der Allgemeinversicherten. Zu den Millionen-Einkünften ihrer Belegärzte schreibt die Unternehmenskommunikation der Hirslanden AG: «Die Höhe der Honorare entspricht nicht dem Verdienst eines Belegarztes. Diese entsprechen dem Umsatz einer Praxis, bei der Praxiskosten, Personal etc. abgezogen werden müssen.»
Die Finanzmarktaufsicht (Finma) zieht neuerdings die Zügel an: Die Behörde schreibt «Kassensturz», die Kassen dürften nur Spitalabrechnungen akzeptieren, die in einem «angemessenen Verhältnis zu den verrechneten Kosten» stünden. Ob «Fantasiehonorare», wie Gesundheitsökonom Locher die Hirslanden-Honorare nennt, in angemessenem Bezug zur ärztlichen Arbeit stehen, ist fraglich. Die Folgen solch hoher Honorare für die Zusatzversicherten jedenfalls sind klar: Die Prämien werden immer teurer, und immer weniger Versicherte können sie sich leisten.