Die SRF-«Arena» vom vergangenen Freitag hat hohe Wellen geworfen. In den sozialen Netzwerken wurde der Disput zwischen Moderator Jonas Projer und Historiker Daniele Ganser kontrovers diskutiert. Auch Jan Flückiger, Bundehausredaktor der NZZ, mischte mit. Er schrieb auf Twitter, es sei «unsauber, Leute, die Kritik an offizieller Version von WTC7 ausüben, pauschal als Verschwörungstheoretiker zu diffamieren».
Bereits diese Aussage trug Flückiger jede Menge Kritik ein. Dann verstieg er sich zur Behauptung:
«Mindestens WTC7 war kontrollierte Sprengung. Das sieht auch ein Laie.»
Eine reichlich naive Bemerkung (die er inzwischen gelöscht hat). Flückiger relativierte sein Statement mit Fortdauer der Diskussion zwar, blieb aber konsequent bei seiner Haltung, die Gründe für den Einsturz von WTC7 seien unklar. Er wehrte sich nach Kräften gegen die Kritik, die er von verschiedener Seite einstecken musste. So schrieb er zum Beispiel:
Und wie erklärt der bauingenieur freien fall des wtc7 aufgrund eines brandes?
Und:
aber nochmal: bei drei gebäuden das genau gleiche muster? vor allem bei wtc7 mit freiem fall?!
Die letzte kritische Aussage bezüglich WTC7 machte Flückiger am Montagmorgen um 9.20 Uhr. Dann, genau drei Stunden später, schrieb er plötzlich:
habe jetzt den NIST-Bericht zu WTC7 gelesen und gebe zu: ich habe mich verrannt!
Und:
die quellen, die ich für prüfenswert hielt, sind es offenbar nicht.
Eine 180-Grad Kehrtwende. Flückiger will in drei Stunden nicht nur den mehr als hundert Seiten starken, komplexen NIST-Bericht gelesen und verstanden haben, er will auch die Quellen, aufgrund derer er skeptisch war, als nicht relevant erkannt haben. Eine Parforceleistung …
Auf Infosperber.ch, als Kommentar zu einem Text über die «Arena», legte Flückiger wenige Stunden später nach:
Kurze Ergänzung in eigener Sache (zum Artikel des Kleinreports). Dass man Kritiker jedwelcher Positionen, nicht pauschal als Verschwörungstheoretiker diffamieren sollte, dazu stehe ich nach wie vor.
Punkto WTC7 habe ich meine Meinung nach der Lektüre des NIST-Berichts zu WTC7 geändert. Ich stützte mich auf die auch von Infosperber schon angeführten Quellen, die die offizielle Version kritisieren (AE9/11Truth, zwei ETH-Professoren mit Ferndiagnose). Muss aber sagen, nach eingehender Lektüre der Original-Berichte und Wiederlegungen zu den Behauptungen von AE9/11Truth et al., komme ich zum Schluss, dass von mir aus gesehen wenig dran ist. Es lohnt sich immer, die Primärquellen zu lesen!
Auch hier behauptet Flückiger also, er habe die Originalberichte und die zahlreiche Sekundärliteratur in ein paar Stunden «eingehend» gelesen, verstanden und einordnen können.
Eine mehr als unglaubliche Aussage. Ich habe Flückiger deshalb folgendes Mail geschrieben:
(…)
Mit Erstaunen habe ich heute Morgen Ihren Kommentar auf Infosperber (und Twitter) gesehen. Ich habe alle diese Untersuchungsberichte gelesen, von denen Sie sprechen. Ich kann also beurteilen, wie gross der Aufwand ist. Es Bedarf mehrerer Wochen, um alle Positionen zu prüfen.
Im Klartext: Sie können unmöglich innert eines Tages zu einer fundierten neuen Meinung gekommen sein, wie Sie es behaupten. Für mich sieht es schwer danach aus, dass Sie unter Druck gesetzt wurden, Ihre Meinung zu ändern (von wem auch immer).
Möchten Sie etwas dazu sagen?
Flückigers Antwort liess nicht lange auf sich warten:
Vorab dies: Ich wurde in keinster Weise unter Druck gesetzt.
(…)
Natürlich habe ich nicht alle Berichte und Unterlagen zu 9/11 gelesen. Ich habe mich bei meiner Kritik an der offiziellen Version von WTC7 vor allem auf die Quellen AE911truth.com sowie den Artikel auf Europhysics (http://www.europhysicsnews.org/articles/epn/pdf/2016/04/epn2016474p21.pdf) gestützt.
(…)
Zum WTC7 nimmt der erste NIST-Bericht (und entsprechend der Bericht «On Debunking 9/11 Debunking») noch nicht vertieft Stellung. Ich habe mich deswegen im Weiteren vor allem auf die Position des Europhysics-Bericht zu WTC7 konzentriert. Ich habe gestern Abend dann versucht, die Kritik am offiziellen NIST-Bericht zu WTC7 von 2008 nachzuvollziehen und muss sagen: Das ist mir nicht gelungen. Die Erklärungen des Berichts sind in sich konsistent und die Vorwürfe der Kritiker daran für mich nicht haltbar.
(…)
Deshalb habe ich entschieden, meine etwas gar aus der Hüfte geschossene, steile These «WTC7 war Sprengung» und «es gibt berechtigte Kritik an der offiziellen Version» zu revidieren.
Im Klartext: Flückiger hat sich nicht annähernd so intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, wie er auf Twitter und bei Inforsperber behauptet. Er hat schlicht eine aus der Hüfte geschossene These mit einer anderen aus der Hüfte geschossenen These ersetzt. Obschon er weder für These A noch für These B das nötige Wissen vorweisen kann. Weiter schreibt er:
Ich möchte mich nicht abschliessend festlegen, ob es jetzt nicht doch einzelne Punkte gibt, die kritikwürdig sind.
Genau das macht Flückiger aber mit seiner Kehrtwende. Er legt sich öffentlich für These B fest, obschon er eigentlich nicht sicher ist und laut eigener Aussage keine Ahnung hat:
Ich habe mich auf Twitter aus dem Fenster gelehnt und meine Meinung inzwischen revidiert, aber als Bundeshausredaktor und Laie bin ich in keinster Weise eine Instanz für oder gegen irgendwelche Theorien zu 9/11.
Die Frage drängt sich auf: Was ist am Montagmorgen zwischen 9.20 Uhr und 12.20 Uhr passiert? Weshalb hat Flückiger das Gefühl, er müsse seine unwesentliche, nicht fundierte Meinungsänderung allen bekannt machen?
Klar ist: Selbst wenn Flückiger Druck von oben (oder wo auch immer) erhalten haben sollte, würde er das nie zugegeben (was nachvollziehbar ist). Für die Druck-These spricht, dass sich NZZ-CEO Veit Dengler in die Flückiger-Twitter-Debatte eingemischt hatte. Er beantwortete Flückigers Bemerkungen bez. WTC7 mit:
«Wirklich? Wenige Themen der Menschheitsgeschichte sind so gründlich durchleuchtet wie 9/11»
Was kompletter Unsinn ist (1). Mich bezeichnete Dengler im Lauf der Diskussion als Aluhut und Verschwörungstheoretiker (Tweet gelöscht). Das tut hier zwar wenig zur Sache, zeigt aber, was der NZZ-CEO unter öffentlichem Diskurs versteht.
Trotzdem: Ich glaube Flückiger, dass er keinen persönlichen Druck aus der Chefetage erhalten hat. Es wäre auch reichlich naiv von Dengler (oder sonst jemandem in der NZZ-Leitung), einem Angestellten eine Denkhaltung zu verordnen. Das Schlimme ist: Klare Weisungen von oben sind gar nicht nötig. All die abschätzigen Bemerkungen, die auf Flückiger eingeprasselt sind, reichen vollkommen, um ihn auf Linie zu bringen. Sie haben ihm klargemacht, was es heisst, sich bezüglich 9/11 aus dem Fenster zu lehnen. Sie haben dem NZZ-Mann gezeigt, dass er seine Zukunft als ernstzunehmender Journalist gefährdet. Flückiger hat deshalb gemacht, was die meisten in seiner Situation tun: einen Rückzieher.
Ich gebe zu, das ist eine Theorie, vielleicht sogar eine Verschwörungstheorie. Aber im vorliegenden Fall die mit Abstand wahrscheinlichste Erklärung dafür, weshalb ein gestandener Journalist wie Flückiger, der ansonsten in sozialen Medien zu seiner Meinung steht, innert drei Stunden eine derart plumpe Kehrtwende vollzieht.
Es geht mir mit diesem Text nicht darum, Flückiger blosszustellen (auch wenn ich das wahrscheinlich tue). Es geht mir vielmehr darum zu zeigen, wie gross der Einfluss der hechelnden Meute ist, die jeden anspringt, der in heiklen Themen wie 9/11 nicht dem Mainstream folgt.
Wie ich schon andernorts festgestellt habe: Der Korridor der erlaubten Meinungen ist eng. Definiert wird er nur in Ausnahmefällen in den Chefetagen von Verlagen und Redaktionen, definiert wird er vor allem in den Köpfen von Medienschaffenden. Viele Journalisten kritisieren gerne, scheuen aber gleichzeitig Kritik an sich selbst und an eigenen Texten wie der Teufel das Weihwasser. Sie fürchten um ihren Ruf unter Berufskollegen, verbieten sich selbstständiges Denken.
Es braucht deshalb keinen CEO wie Veit Dengler, der Jan Flückiger vorschreibt, was er zu denken hat. Das übernehmen seine Twitter-Freunde und Journalistenkollegen. Zum Beispiel Lehrer und Social Media-Spezialist Philippe Wampfler. Er kanzelt jedes Argument ab, meist sinn- und gnadenlos. So schreibt er zum Beispiel in der Diskussion rund um Flückigers Aussagen:
Ist keine nüchterne Zusammenfassung. Infosperber ist eine Ganser-Plattform.
Oder:
Ich kenne die angeblichen Schwachstellen von einer Gruppe, die behauptet, sie bestünde aus Ingenieuren und Baustatikern.
Oder:
All diese angeblichen »Ingenieure« (und Ganser) können das irgendwie ja auch…
Oder:
Das ist eine Zeitschrift für Mitglieder. Und welche Professorinnen von welcher Uni? Come on: Du bist Journalist.
In die gleiche Kerbe schlägt auch Thomas Ley, Blattmacher beim Blick und einer der heftigsten Diffamierer, wenn es um 9/11 geht. Er liess Flückiger in der Twitter-Diskussion wissen:
He, Mann, ehrlich, du bist NZZ-Redaktor.
Wer denkt, das sei witzig gemeint und harmlos, der irrt. Mir hat Ley kürzlich in einer Syrien-Diskussion geschrieben:
«Würde»? Ein Konjunktiv, der dich nicht viel kostet, du trauriges Propaganda-Opfer in der sicheren Schweiz.
So geht das. Wer trotz der Einschüchterung bei seiner Meinung bleibt, endet wie Daniele Ganser – als Verschwörungstheoretiker.
Quelle: Stefan Schaer: Pointiertes zu Medien, Politik und Gesellschaft