Immer mehr Frauen erhalten intravenöse Eisenbehandlungen – doch oft sind sie unnötig und gefährlich. Patientenschützer warnen vor einer möglichen Geschäftemacherei der Ärzte.
Immer mehr Ärzte verschreiben Eiseninfusionen, wenn eine Frau Symptome wie Müdigkeit oder depressives Verhalten aufweist. Die Behandlung mit Eiseninfusionen boomt in den letzten Jahren, wie
Zahlen des Schweizer Dachverbands der Krankenversicherer Santésuisse zeigen: Das Volumen der über die Krankenkassen abgerechneten Eiseninfusionen beliefen sich im Jahr 2012 auf 36 Millionen,
2013 auf 39 Millionen und 2014 bereits auf 42 Millionen Franken.
Doch die Patientenstelle warnt: Eiseninfusionen seien oft unnötig und gefährlich, sie spricht sogar von Geschäftemacherei der Ärzte. Denn die Behandlung ist teuer: Eine 500-Milligramm-Dosis
kostet rund 250 Franken. Und die Nebenwirkungen sind nicht harmlos. Übelkeit, Schüttelfrost, Kopfschmerzen oder allergische Reaktionen, die im allerschlimmsten Fall zu einem tödlichen
Kreislaufversagen führen, können die Folge sein.
Nicht über Risiken aufgeklärt
Mirjam Baumgartner, Leiterin der Patientenstelle Ostschweiz, hat die Nebenwirkungen selbst erlebt: «Ich bekam an Armen und Beinen juckende Pusteln.»
So geht es vielen Frauen, bestätigt Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbands Schweizerischer Patientenstellen. Sie sei erst kürzlich von einer Frau beauftragt worden, die nach einer
Eiseninfusion eine bleibende ausgedehnte Hautverfärbung bekommen hatte. Die Frau war vor der Therapie weder über die Risiken aufgeklärt worden, noch hatte die Ärztin eine vorgängige
Blutkontrolle vorgenommen.
Eiseninfusion auch bei problemlosen Werten
«Und hier liegt das Problem. Viele Frauen wissen nicht, welches Risiko sie bei einer intravenösen Eisenbehandlung eingehen», sagt Ziltener. Sie appelliere deswegen an alle Frauen: «Informiert
euch, verlangt eine Aufklärung über die möglichen Gefahren, geht sicher, dass der Arzt vor der Behandlung Abklärungen und eine Blutanalyse macht und fragt unbedingt nach Alternativen.» Denn
zunehmend würde auch bei einem völlig problemlosen Eisenwert eine Infusion verabreicht.
Dies kritisiert auch Santésuisee: Dass die Eiseninfusion bei einer Behandlung von Depressionen bei Frauen ohne Blutarmut mit niedrigem Eisenspiegel tatsächlich helfe, könne derzeit noch nicht
wissenschaftlich belegt werden, sagt Sprecher Paul Rhyn. Eine sorgfältige Indikationsstellung gehöre zur ärztlichen Arbeit, um Patienten vor möglichen Schäden zu bewahren.
Eisenwert zählt, nicht Müdigkeit
Pierre-Alexandre Krayenbühl, Chefarzt am Spital Linth, teilt diese Meinung. Er hat eine Studie an der Universität Zürich durchgeführt, die zeigt, dass sich die Müdigkeit einzig bei denjenigen
Frauen mit wirklich tiefen Eisenwerten verringerte. Er sagt, eine Eisentherapie sei nur dann anzudenken, wenn der Ferritinwert – ein Protein, das im Blut den Eisenspeicher anzeigt – bei 15
Mikrogramm pro Liter oder darunter liege.
Beat Schaub, Begründer der Schweizer Eisenzentren, widerspricht: «Dies entspricht nicht dem wahren Sachverhalt.» Grundsätzlich sei es wichtig, zu wissen, dass es keinen pauschalen
Ferritinwert gebe, unter dem Eisenmangelsymptome auftreten. «Diese ‹Eisenschwelle› ist sehr individuell», so Schaub. «Mir ist aber bewusst, dass es auch Ärzte gibt, die einfach
drauflosspritzen.» Er verurteile dies: Eine Eiseninfusion zu verabreichen, ohne die notwendigen Abklärungen und Analysen zu machen, könne er aus seiner Erfahrung nicht empfehlen.